… so die Aussage eines Beitrages der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zur Studie eines Konzerns, der vor allem auch im Körperpflegesegment hohe Marktanteile vorweisen kann. Seit einigen Tagen beschäftigt mich dieser Artikel, da er aus meiner Sicht die weitere Bestätigung eines alten und doch neuen Rollenbildes der „modernen“ Frau ist, die Kinder, Karriere und Haushalt wuppt. Dabei ist sie aber bitte gelassen und entspannt, beklagt sich nicht und hat stets ein Lächeln auf den hübschen Lippen. Die Botschaft: Also Mama, du packst das schon, aber bitte vergiss deine gute Laune nicht. Und wenn die Stimmung doch mal schlecht und Mama erschöpft ist: Dann ist das wohl ihre eigene Schuld …
Eine Studie wirft Fragen auf: Sind wir Frauen selbst schuld an Stress und Überlastung?
Vor einigen Tagen veröffentlichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ online einen Artikel mit dem Namen „Arbeitende Mütter fühlen sich alleinerziehend – trotz Partners“. Über den „Facebook“-Account von „BabyCenter Deutschland“ wurde ich auf diesen Beitrag aufmerksam und freute mich auf interessante Erkenntnisse.
Doch am Ende des Artikels angekommen, wunderte ich mich nur noch: Während die Überschrift auf ein Problem hinweist, das die gesamte Gesellschaft betrifft, sind dann auch schon in den ersten Zeilen die Schuldigen gefunden: Es sind die Frauen selbst.
Bereits im Teaser zum Artikel heißt es: „Dabei sind sie auch ein bisschen selbst daran schuld, zeigt eine Studie.“ Der Hinweis, dass eine Studie die Schuld der Frauen an ihrem Problem zeige, ließ meine Neugier wachsen. Wie kann eine Studie die Schuldfrage klären?
Die Studie wurde laut Bericht im Auftrag des Konzerns „Procter & Gamble“ vom „Rheingold-Insitut“ durchgeführt. Ich möchte hier nicht einzeln die im Artikel beschriebenen Ergebnisse wiederholen (hierzu gibt es ja den Link zum Beitrag), auch wenn diese durchaus besorgniserregend sind. Kurze Zusammenfassung: Frauen machen lieber alles selbst, als mit dem Partner zu diskutieren (allein der Umstand, dass Frauen anscheinend für Unterstützung diskutieren müssen, zeigt, dass da was schief läuft), einige sehen den Partner gar als eine Art weiteres Kind, um das sie sich kümmern müssen und sie vernachlässigen vor allem ihre eigenen Bedürfnisse.
Ich vermute, dass es an dieser Stelle besonders interessant für den Auftraggeber der Studie wird. Denn der Konzern „Procter & Gamble“ steht unter anderem auch hinter einigen großen Marken im Körperpflegesegment. Und wie kriegt man Kosmetik und Pflegeprodukte besser an die Frau, als mit dem Hinweis: „Hey Mama, tu doch mal wieder was für dich. Gönn dir eine tolle Creme / den besten Damenrasierer / das tolle Shampoo …“.
Kinder, Haushalt, Karriere, Partnerschaft: Frauen geben 120 Prozent
Nach all diesen Studienergebnissen, die auf eine mangelnde Gleichberechtigung der Geschlechter hinweisen, wird dann thematisiert, was ein großer Teil der Frauen sicher kopfnickend bestätigen wird: Die befragten Frauen geben nach ihrer eigenen Einschätzung immer 120 Prozent.
Ich denke, dass sich viele Frauen wertgeschätzt fühlen, wenn eine Studie endlich mal zeigt, wie sehr sie sich in allen Lebensbereichen einbringen. Vielleicht gefallen sich auch einige in der Rolle als immer präsente Superfrau, ohne die es zu Hause nun mal nicht läuft. Für mich sind solche Aussagen aber Teil des Problems. Sie stacheln eher dazu an, weiterhin „alles“ zu geben, da Frauen das nun mal so machen. Stress gehört halt dazu.
Der Hauptgrund für meine Irritation ist aber ein anderer. Nachdem ich nun erfahren habe, dass Frauen unter starkem Stress stehen und sich selbst vernachlässigen, um alle Anforderungen zu erfüllen, wird in dem Artikel dann die Schuldfrage geklärt: „Doch ein wenig sind sie offenbar auch selbst daran schuld: Satte 72 Prozent stellen fest, dass es ihnen besser geht, wenn sie sich nicht wegen allem verrückt machen.“.
Bleib gelassen, Mama oder: Vereinbarkeit & Gleichberechtigung leicht gemacht. Nicht.
Statt darüber zu diskutieren, wie sich dieses Vereinbarkeitsproblem von Frauen lösen lässt, die aus den Ergebnissen ableitbare (Nicht-)Beteiligung der Männer zu thematisieren (woher diese kommt, ist ein anderes und komplexes Thema, das hier zu weit führt; dies soll nicht als Pauschalkritik an Männern verstanden werden) oder zu fragen, wohin eine Gesellschaft mit erschöpften Müttern steuert, wird den Frauen hier mitgeteilt: Schade, dass es euch nicht gut geht. Aber „ein bisschen“ (Was soll denn diese Formulierung? Was ist ein „bisschen“ Schuld?) Schuld seid ihr wohl selbst.
Diese Schlussfolgerung aus der, bereits erwähnten, Aussage von 72 Prozent der Befragten, dass es „ihnen besser geht, wenn sie sich nicht wegen allem verrückt machen“ zu ziehen, halte ich für problematisch.
Die Lösung für die überlasteten Frauen ist also: Macht euch bitte nicht verrückt. Vor allem nicht wegen allem (Sehe nur ich das so oder steckt schon in der Formulierung „wegen allem verrückt machen“ ein Vorwurf?).
Macht weiter wie bisher – 120 Prozent geben und sich auch um den Partner kümmern. So als wäre er ein Kind (Anmerkung: Was er aber nicht ist). Aber macht euch locker dabei. Entspannt mal. Denn mit guter Laune ist alles leichter.
Müssen wir vielleicht sogar noch dankbar sein, dass nicht noch auf ein Studienergebnis verwiesen wird, dass Männer gut gelaunte und gelassene Frauen attraktiver finden?
Ich finde es ärgerlich und schade, dass in dem Artikel der Eindruck erweckt wird, dass das Problem die fehlende Gelassenheit der Frauen sei. Nehmen wir aber kurz an, ich würde dieser Theorie zustimmen: Was ziehe ich für Schlüsse daraus? Darf ich jetzt als Frau ein paar Aufgaben, mit Verweis auf meine neue lockere Art, links liegen lassen?
Wenn ich mich nicht mehr wegen allem verrückt machen soll (denn dann geht es mir ja besser), ist es dann in Ordnung, auf der Geburtstagsfeier der netten Nachbarin ohne Geschenk aufzutauchen? Hat sich halt niemand anders gefunden, der sich deshalb „verrückt macht“.
Vermutlich nicht. Es wird wohl eher von der „modernen“ Frau erwartet, dass sie ihre Rollen als Mutter, Arbeitskraft, Partnerin und Hausfrau weiterhin mit 120 Prozent ausfüllt (warum eigentlich nicht gleich 150 Prozent?). Sie sollte halt dabei gut gelaunt sein und sich nicht immer einen Kopf um alles machen.
Ach ja, wenn Probleme dieser Komplexität so einfach zu lösen wären …
Ärgerlich und gespannt auf eure Meinung zur „Studie“ grüßt euch
eure Jana