
Seit Junior unser Leben bereichert, ist meine Verwandlung in ein Friedrichshainer Klischee kaum aufzuhalten. Während ich noch vor kurzer Zeit bei den Preisen im Biomarkt zusammenzuckte, mich über niedrige Fleischpreise freute und Kosmetik- und Körperpflege ohne Check der Inhaltsstoffe bedenkenlos kaufte, mutierte ich in den letzten Monaten zur Stammkundin des Biomarktes um die Ecke und zum Naturkosmetikfan.
Mein Geldbeutel findet diese Entwicklung alles andere als erfreulich. Papa Junior entdeckte neulich einen Kassenbon und sah sich kaum im Stande, etwas dazu zu sagen. Ich hörte nur lautes atmen. Doch er weiß wohl, dass diskutieren an dieser Stelle zwecklos wäre: Schließlich habe ich da ein kleines, niedliches Totschlagargument an meiner Seite und keine Hemmungen, es für die gute Sache einzusetzen …
Biomärkte? Symbol für Gentrifizierung und steigende Mieten
Wie wohl jeder mittlerweile weiß, steigen die Mieten seit einigen Jahren rasant in Berlin. Und Papa Junior und ich haben eine Art Spiel daraus gemacht, vorherzusagen, wo es bald teurer werden wird. Unser Anhaltspunkt waren neu eröffnete oder sich noch im Bau befindliche Filialen der Biosupermärkte.
Denn, so unsere Denke, um sich den regelmäßigen Einkauf dort leisten zu können, braucht es schon Knete. Und die haben die Menschen dort, wo schöne Eigentumswohnungen die alteingesessenen Bewohner vertreiben. Das weiß das Management der Bioketten naürlich auch. Und so wurde jeder neue Biosupermarkt, den wir unterwegs entdeckten, für uns zum Symbol der Gentrifizierung und des steigenden Mietspiegels.
Meine Meinung zu diesen Märkten war also nicht ausschließlich positiv. Um es nett zu formulieren. Nie bin ich überhaupt in so einen Laden gegangen, denn ich war mir sicher: Da gibt es nix, was ich woanders nicht auch (für weniger Geld) bekomme. Und dann kam der kleine Sonnenschein und mit ihm mein erster Besuch im Biosupermarkt.
Der Grund für meinen Besuch? Junior hatte immer mal wieder mit Bauchweh und Verdauungsproblemen zu kämpfen. Bevor ich rausfand, dass unser Problem zu viel Muttermilch war (siehe auch Teil 2 der 21 Dinge, die ich gern vor Juniors Geburt gewusst hätte), stand zwischenzeitlich die Kuhmilch im Verdacht, Übeltäterin zu sein. Ich ersetzte also zum Test für mehrere Tage alle Kuhmilchprodukte durch vegane Alternativen. Und wo findet man wohl eine größere Auswahl als im Biomarkt?
Zuerst kaufte ich nur sehr wenige Artikel. Doch das Zeug war dermaßen lecker, dass sich das schnell ändern sollte und die Besuche regelmäßiger wurden …
Was essen wir da eigentlich? Mama macht sich einen Kopf
Schon während der Schwangerschaft achtete ich mehr auf das, was da in Kontakt mit meinem Körper kommt. Sprich: Auf meine Ernährung sowie die Körperpflege und Kosmetik. Ich hörte zum Beispiel sofort nach dem positiven Schwangerschaftstest auf, mir die Haare zu blondieren. Ja, Studien konnten da wohl nichts Schlimmes dran feststellen, aber ich dachte mir: So, wie das Zeug riecht, kann es einfach nicht gesund sein. Ich schwor den Anti-Transpiranten (wegen der fiesen Aluminiumsalze) ab und setze seitdem auf Deodorant (sorry, liebe Mitmenschen). Ich versuchte, noch häufiger als vorher, selbst zu kochen und Geschmacksverstärkern aus dem Weg zu gehen.
Doch nach Juniors Geburt und damit dem Beginn der Stillzeit, hatte ich das Gefühl, nun noch mehr Verantwortung zu tragen. Und zwar nicht nur für meinen Sohnemann und mich, sondern auch für unseren Planeten. Wobei dies natürlich auch egoistische Gründe hat. Denn ich wünsche mir, dass mein Sohn auf diesem Planeten leben und seine Schönheit kennenlernen kann.
Umweltschutz war mir schon früher wichtig. Irgendwie zumindest. So hatte ich schon lange meinen Stoffbeutel stets parat, um Plastiktüten aus dem Weg zu gehen. Mülltrennung? Check! Nicht mehr benötigte Kleidung spenden? Check! Pfand artig zurückbringen (wobei ich weiß, dass der Großteil der Flaschen zum Typ Einwegflasche gehört)? Check! Also alles gut?
Mitnichten. Denn als ich ehrlich über mein Umweltbewusstsein nachdachte, wurde mir klar: Ein paar Dinge laufen gut. Aber ich bin inkonsequent. Kosmetik mit fragwürdigen Inhaltsstoffen? Check! Zu hoher Fleischkonsum? Check! Obst und Gemüse nicht regional und saisonal gekauft? Check! Bekleidung bei Fast-Fashion-Ketten gekauft? Check! Diese Aufzählung könnte ich wohl leider noch eine Weile fortführen.
Doch wie kann ich mich über die „Großen“ aufregen und die Zerstörung der Natur anprangern, wenn ich selbst mit meinem Verhalten mehr als nötig dazu beitrage? Mir wurde klar, dass ich ein paar Dinge ändern sollte, wenn mir unser Planet wirklich am Herzen liegt.

(Öko-)Mama-Challenge: Mehr Nachhaltigkeit
Zu diesen paar Dingen zählt unter anderem auch unser Fleischkonsum. Allerdings hat uns nicht nur der Umweltaspekt dazu bewogen, weniger Fleisch zu essen. Für den Kleinen möchten wir gute Vorbilder sein und ausgewogene Vielfalt auf den Tisch bringen. Sicher wird uns das auch allen gut tun.
Beim Kleidungskauf gilt nun das Motto: Lieber weniger und dafür hochwertige Stücke, als billig und viel. So langsam bin ich ohnehin in einem Alter, in dem Qualität und Passform eine größere Bedeutung haben.
Und dann kaufe ich eben seit Juniors Geburt auch viel mehr bio: Wenn Fleisch, dann das gute (und dementsprechend teure) Biofleisch. Obst und Gemüse werden ebenso so oft wie möglich saisonal und regional gekauft. Den Verzehr von Kuhmilch habe ich in letzter Zeit reduziert. Aber wenn Milchprodukte, dann sind diese mittlerweile ebenso bio. Und so oft wie möglich setze ich auf Glas statt Plastik.
Drum merke: Gegen die gute Sache lässt sich nicht argumentieren
Ja, all diese Veränderungen gehen ins Geld. Als Papa Junior vor ein paar Tagen den recht kurzen Kassenbon meines Stammbiomarktes und die zugehörige Summe sah, war er nur noch zu einem lauten Atmen fähig. Einige Zeit später sprach er mich dann doch auf die, für ihn zunächst unfassbare, Summe an. Doch natürlich konnte Papa Junior sich gar nicht erst aufregen, da ich starke Argumente auf meiner Seite hatte.
Da ist erstens natürlich die gute Sache. Unsere teure, neue Nachhaltigkeit hat viele Vorteile für die Umwelt und unsere Gesundheit profitiert sicher auch davon. Außerdem können wir unserem Sohnemann später sagen, dass wir uns bemüht haben, die Umweltkatastrophe noch abzuwenden.
Und nun zum Totschlagargument: „Willst DU etwa nicht, dass unser Sohn in einer besseren Welt lebt? Noch etwas vom Planeten Erde hat? Glücklich und naturverbunden aufwachsen kann? Ist es DIR das nicht wert? Ja, ich habe 15 Euro für eine halbe Wassermelone, einen Naturkosmetik-Rasierschaum und 200 Gramm Erdbeeren bezahlt. Aber ich habe es für die Zukunft unseres Babys getan!“
Zu dick aufgetragen, wollt ihr mir jetzt sagen? Ja, Papa Junior hatte wohl auch nicht mit dieser flammenden Rede, als Reaktion auf seine recht nüchtern vorgetragene Frage, gerechnet. Doch ich denke, dass ich damit gezeigt habe, dass ich bei diesem Thema unbeirrbar (ja, einige würden es stur und durchgedreht nennen) bin. Ja, mein Elterngeld ist recht knapp und Papa Junior gehört zu den Durchschnittsverdienern. Wir schwimmen also nicht in Geld. Doch wir leben insgesamt ziemlich sparsam. Und unsere Gesundheit und Zukunft ist uns doch die paar Euro wert – nicht wahr, Papa Junior?
Jederzeit bereit flammende Reden für die Rettung unseres Planeten zu halten, grüßt euch
eure Jana