Ein Brief übers Wachsen. Und das, was es aus meiner Sicht dazu braucht. Adressiert an die Menschen, die mich ohne ihr Wissen seit Herbst 2016 begleiten.
Ich als Neu-Mama? Zutiefst verunsichert & ängstlich
Liebe Ratgeberautorinnen und -autoren, Magazin und Blog-Redakteurinnen und Redakteure, selbsternannte und auch wahre Fachfrauen und Fachmänner,
ich muss euch etwas gestehen. Viele Monate lang wart ihr ein wichtiger Teil meines Alltags. Nein, nicht nur eine*r von euch. Und nein, nicht nur in Bezug auf ein Thema suchte ich eure Unterstützung.
Ob stillen, schlafen, tragen, baden. Von der breifreien Beikost bis Windelfrei. Vom Umgang mit bleischwerer Mama-Müdigkeit oder einem weinenden Baby bis hin zu vermeintlich unfassbar einfach umsetzbaren Hacks für ein ordentliche(re)s Zuhause.
Über Ausflugstipps, Hinweise für die Reiseapotheke und Entwicklungsschübe. Als Neu-Mama gab es für mich eine schier unglaubliche Anzahl an Fragen und Themen, über die ich mich informierte. In Ratgebern, Magazinen, Beiträgen auf Online-Portalen und Blogs.
Schließlich war die knappe Zeit im noch so ungewohnten Familienalltag viel zu kostbar, um jede Frage rund um den gerade erst geborenen Nachwuchs mit sich selbst auszumachen. Als junge Frau, die weder Geschwister hat noch bis zur Geburt ihres Babys über Erfahrung mit solchen verfügte, wäre das mit der eigenständigen Beantwortung mancher Frage auch wirklich schwierig gewesen.
Daher danke ich auch all denen, die mir mit ihrer Expertise oder Erfahrung innerhalb der letzten 20 Monate zur Seite standen. Ohne es überhaupt zu wissen. Denn zum persönlichen Bedanken kam ich nur in den seltensten Fällen. Wobei ihr dafür ja Verständnis haben müsstet. Stichwort Mama-Leben.
Neben meinem Dank möchte ich jedoch auch ehrlich anmerken: Es gab diese Tage an denen euer Rat mir nicht half. An denen ich als zutiefst verunsicherte und ängstliche frischgebackene Mama auf verschiedenste Meinungen, für unverrückbare Tatsachen ausgegebene Informationen oder gar Warnungen stieß.
Bloß nicht so! Unbedingt so! Du willst doch nicht etwa, dass dein Kind später …? Oft klingt diese Drohung einer Zukunft mit, die sich wohl keine Mama wünscht. Sofern ich (denn wir wissen ja, dass immer Mama die Schuld trägt …) jetzt nicht so und so handle, wird unausweichlich dies die schreckliche Folge sein. Mehr als die Stichworte Einschlafstillen, Familienbett, Tragen oder das Schreckgespenst verwöhntes Baby möchte ich an dieser Stelle gar nicht erwähnen.
Als Mama die ein eigenes Bauchgefühl, ihre eigene Intuition und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erst aufbauen musste, stelle ich rückblickend nüchtern fest: In den ersten Monaten mit Baby hatten eure Aussagen für mich enormes Gewicht. Es wog so schwer, dass ich auch an eigenen Gefühlen und Gedanken zweifelte.
Perfekt wollte ich sein, alles immer richtig machen. Insbesondere als Mama. Das ist wohl dieses Ding mit der schier unfassbaren Verantwortung, die man plötzlich für ein anderes, so abhängiges kleines Leben trägt.
Junior will nicht auf dem Rücken im Schlafsack im Beistellbett bei 16 – 18 Grad Raumtemperatur schlafen? Aber in der Broschüre über die Vorbeugung des plötzlichen Kindstods steht doch, dass all diese Maßnahmen getroffen werden sollen.
Und so mühten Papa Junior und ich uns ungezählte (besser ist es – denn das genaue Ausmaß zu kennen, würde es wohl nur schlimmer machen) Abende damit ab, Junior zu einem der Broschüre entsprechenden Schlafverhalten zu bringen. Erst als unsere Hebamme trocken anmerkte, dass es wichtig ist, dass wir alle überhaupt mal irgendwie zu Schlaf kommen, überlegten wir uns eine sichere, schließlich wesentlich besser funktionierende Routine.
Da hilft auch kein „Entspann dich doch mal!“
Mit gewachsenem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Mama lassen sich die Aufs und Abs im Alltag mit Kind gelassener meistern.
Manchmal frage ich mich beim Lesen eurer Tipps, Warnungen oder schlicht persönlichen Meinungen, ob ihr auch mal so wart. So wie ich. Unsicher. Ängstlich. Auf der Suche nach diesem einen magischen Tipp, der das Neu-Mama-Leben entspannter macht. Stets Ausschau haltend nach diesem geheimen Eltern-Trick, der zu unerschütterlicher Gelassenheit führt. Von der sich sogar Buddha eine Scheibe abschneiden könnte. (Nur so am Rande: Der hatte keine Kinder, richtig?)
Als ich drei Monate nach Juniors Geburt begann in die Familienzentren zu gehen, waren meine Gespräche mit anderen Müttern oftmals kein Austausch. Der Begriff Interview trifft es besser. Natürlich nahm ich die Rolle der Reporterin ein. Ich wollte von den erfahreneren Mamas wissen, wann „es denn endlich besser wird“. Ihr wisst schon: Es ging mir um genau die Themen, die ihr Expertinnen und Experten ganz richtig als Dauerbrenner der elterlichen Sorgen identifiziert habt.
Heute kann ich zwar noch nicht über meine investigativen Recherchen in den Mama-Hotspots lachen. Zu deutlich ist meine Erinnerung an die echte Verzweiflung, die ich an manchen Tagen und vor allem in den Nächten empfand. Es reicht aber schon für ein Schmunzeln. Denn während (hoffentlich) gut gemeinte Tipps wie „Entspann dich doch mal!“, „Du musst auch auf dich selbst achten“ oder „Genieße lieber mal die entspannte Babyzeit“ eher ein Gefühl ultimativen Versagens in mir auslösten (Ich schaffe es nicht mal, diese magische Zeit mit Baby zu genießen! Und sehe dabei auch noch voll daneben aus. Wie auch meine Wohnung …), weiß ich heute: Jeder Moment ist flüchtig. Jede Phase vergeht. Die guten wie die schlechten. Dies gilt auch für das Leben als Mama.
Während ich damals mit dauerstillendem Junior im Familienzentrum saß, wusste ich das nur noch nicht. Und so gingen mir immer wieder Fragen durch den Kopf: Woher nimmt die Dreifachmama bitte ihre Gelassenheit? Warum lässt die Zwillingsmama nicht alles stehen und liegen, um zu ihren weinenden Babys zu sprinten? Und wieso lässt diese Mama ihr Kleinkind dort hinten allein die super gefährliche Holzrutsche erklimmen (super gefährlich, da mehr als 15 cm Fallhöhe)?
Nun weiß ich es. Weil sie es besser wissen. Besser als ich überängstliche, unerfahrene, verunsicherte Neu-Mama. Weil sie in sich selbst vertrauen. In ihre Fähigkeiten als Mama. Und in ihre Babys und Kinder. Weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass jeder Moment vergänglich ist.
Nun kann ich nur mutmaßen, liebe Fachleute. Aber wenn ihr selbst Eltern seid (übrigens wundert es mich noch immer, wenn die strengsten Eltern-Appelle von Menschen kommen, die selbst keine Kinder haben – Theorie und Praxis sind dann doch ein gewaltiger Unterschied), dann kennt ihr doch bestimmt auch die ganze Bandbreite der Gefühle, die das Leben mit Nachwuchs so mit sich bringt. Und sicher habt ihr auch festgestellt, dass es kein Geheimnis, keinen Trick und keine bestimmte Art des Umgangs mit unseren Kleinen gibt, die das Eltern-Dasein zu einem Spaziergang machen.
Viel mehr wurdet ihr wohl durch eines zu den Expertinnen und Experten, die ihr heute auf eurem Gebiet seid: Durch Lernbereitschaft. Und Erfahrung. Vielleicht auch durch den einen oder anderen guten Tipp auf eurem Weg. Oder eben genau die Bestärkung, die ihr in schwierigen Momenten gerade gebraucht habt.
Wenn die Zeit uns wachsen lässt
Ich mutmaße nun erneut, wenn ich behaupte: Ihr seid durch die Zeit gewachsen. Genau wie ich als Mama. Doch, und hierin bin ich mir sicher, gewachsen sind wir wohl nicht durch Furcht. Durch Angst vor Fehlern. Durch die Sorge vor einer Zukunft, in der wir nach den Fehlern der Vergangenheit suchen.
Und so wünschte ich mir bei der oder dem einen oder anderen von euch etwas weniger erhobenen Zeigefinger. Ein bisschen weniger Sorge und Mahnung. Weniger Richtlinie, Empfehlung oder Studie. Mehr Raum für individuelle Lösungen, die jede Familie für sich finden muss. Mehr Ermutigung und Bestärkung auf dem nicht immer leichten Weg der Elternschaft. Manchmal auch einfach das ehrliche Geständnis, dass es keine Patentrezepte rund ums Kind gibt. Und das auch ihr Verunsicherung und all die kleinen und großen Nöte kennt, die Eltern in ihrem Alltag erleben.
Als Mama bin ich in den letzten 20 Monaten gewachsen. An jedem einzelnen Tag. Eure Tipps und Thesen bringen noch immer einiges an Gewicht auf meine persönliche Mama-Waage. Doch mittlerweile kann ich recht gut einschätzen wann ich eure Hilfe brauche. Und wann ich ganz auf mein eigenes Gefühl vertrauen kann und darf.
Wie wunderbar wäre es, wenn jede nach Rat suchende Mama (oder natürlich auch suchender Papa) statt mahnender Worte und Bloß-nicht-so-Predigten zunächst auf folgenden Hinweis stieße:
DU bist die Expertin für dein Kind! Gib dir Zeit, um Erfahrungen zu sammeln.
Denn mit jeder von ihnen wächst du als Mama.
Auch wenn es gerade nicht so anfühlt, so ist jeder Moment vergänglich.
KEINE Mama ist immer glücklich, ausgeglichen und mit sich im Reinen.
Also erwarte das bitte auch nicht von dir!
Nach so einer digitalen, bestärkenden Umarmung freut sich die suchende Mama dann mit hoher Wahrscheinlichkeit über eure Erfahrungen, fachlich fundierten Ausführungen und Empfehlungen. Denn beim täglichen Wachsen hilft die Zeit. Und ab und an auch guter Rat …
In diesem Sinne bedanke ich mich herzlich bei all denen, die sich den unzähligen und vielfältigen Fragen der Elternschaft widmen. Ihr helft dabei, dass Mamas und Papas jeden Tag wachsen. Denn nicht nur ein Baby ist nach der Geburt winzig klein. Auch wir Eltern sind es noch in dieser ungewohnten Rolle.
Ich wünsche allen Eltern von Herzen, dass sie euren Rat und eure Unterstützung finden, wenn sie sie brauchen. Und mit der Zeit auch die Erfahrung machen, dass ihr eigenes Herz es am besten weiß. All diese Dinge rund um Baby und Kind.
Wobei, wenn ich gerade dabei bin: Habt ihr vielleicht ein paar gute Tipps für mich rund um die Autonomiephase? Wir waren da neulich in diesem Drogeriemarkt und … Ihr wisst, was ich meine, oder? Danke und bis ganz bald, wenn ihr mir wieder ohne euer Wissen durch knifflige Situationen helft …
Immer noch erstaunt darüber, dass das mit dem Wachsen auch bei Mamas wohl nicht mehr aufhört, grüßt euch
eure Jana
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